Geliebt –gebraucht – gegessen. Der Haushund in der Steinzeit
Seit dem Jungpaläolithikum werden („Wolfs-“)Hunde als Begleiter des Menschen gehalten. Dabei hat der Haushund bis heute ein breites Nutzungsspektrum, das vom Babysitter über Kriegswaffe bis zur Nahrungsbeschaffung für den Menschen reicht, selbst wenn er, der Hund, letztlich selber die Nahrung des Menschen darstellt. Mit dem freundlicherweise von der DFG geförderten Forschungsvorhaben am Archäologischen Institut der Universität Hamburg geht Jörg Ewersen der Frage nach, welche ökonomische und soziokulturelle Rolle der Hund in Aufenthalts- und Siedlungsstrukturen vom ausgehenden Mesolithikum (= Mittelsteinzeit) bis ins Neolithikum (= Jungsteinzeit) hatte. Ein besonderes Ziel des Projektes ist es dabei, die nahrungswirtschaftliche Bedeutung des Hundes in Siedlungen zu klären. Die Ergebnisse des Projektes „Die Rolle des Hundes in endmesolithischen und neolithischen Siedlungen“ beruhen auf über 4800 Skelettreste von Hunden aus insgesamt 39 steinzeitlichen und einem kaiserzeitlichen Inventar zwischen der dänischen Grenze und der Schweiz. Zum einen standen anthropogene Spuren (Gerätespuren) an Skelettelementen und zum anderen die Verhältniswerte der stabilen Isotopen δ13C (Kohlenstoff) und δ15N (Stickstoff) im Vordergrund der Untersuchungen. Als Vergleichsmaterial für die Ergebnisse an Hunderesten diente eine geringe Zahl von Wolfsknochen sowie Knochen von Wild- und Hausschweinen. Anthropogene (= durch Menschen hervorgerufene) Spuren an Skelettelementen werden standartgemäß mit Hilfe eines Binokulars mit einer bis zu 16fachen Vergrößerung und in Einzelfällen weiterführend mit einem Digital-Auflichtmikroskop (200fach) aufgedeckt und untersucht. Es ist die nahezu einzige Möglichkeit einen sicheren (beweisbaren) Zusammenhang zwischen tierischen Skelettresten und dem Menschen festzustellen. Über die Lage der Schnitt-, Hack- und Schlagspuren sowie Schabe- und Abschermarken am Skelett und deren Vergleich mit der überliegenden Weichteilanatomie kann in der Folge auf den möglichen Ursprung resp. die Absicht, mit der geschnitten wurde, rückgeschlossen werden. Bedingt durch die Anatomie des Körpers sowie Überschneidungen mehrerer Gerätemarken (Spurenstratigraphie) bzw. deren Schnittrichtungen werden im Anschluss daran Zerlegungsphasen und –techniken herausgearbeitet. Zusammen mit weiteren archäozoologischen Parametern wie Schlachtalter und Fragmentierung werden damit Aussagen über die Verwendung der Hunde und dem über ihre (fleisch-)wirtschaftliche Bedeutung getroffen. Die Grundlage der Ergebnisse der Isotopenverhältnisse waren mehr als 236 Proben mit auswertbare Datensätze von δ15N und δ13C. Die Verhältniswerte der untersuchten Hunde ermöglichen die Einordnung der verschiedenen Individuen in das Nahrungsnetz (Trophiestufe) zwischen der wilden Stammform Wolf und den ebenfalls omnivoren Haus- und Wildschweinen. Auf dieser Grundlage wurden die Haltungsbedingungen in verschiedenen Siedlungszusammenhängen differenziert. Ergebnisse aus dem Projekt zeigen, dass die Untersuchung stabiler Isotope in Kombination mit der Analyse von Schlachtspuren an Knochen wertvolle Erkenntnisse zur wirtschaftlichen Bedeutung des Hundes erbrachten, was zukünftig sicherlich auch für andere Tierarten gilt. Anhand der aktuell vorliegenden Ergebnisse kann für fast alle untersuchten Fundplätze eine regional und chronologisch sehr unterschiedlich Nutzung des Hundes als Fleischlieferant oder Opfertier postuliert werden. Dabei bestehen offensichtlich Unterschiede zwischen Küsten- und Binnenlandsiedlungen, zwischen dem Befund nach rituell geprägten und eher „dörflichen“ Siedlungen sowie zwischen Plätzen des Mesolithikums und der Jungsteinzeit. Anthropogene Zerlegungsspuren an den Knochen aus Siedlungen an Binnengewässern zeichnen wiederum ein anderes Bild als solche von Plätzen der Ostseeküste und auf einzelnen Wohnplätzen scheint der Hund überhaupt nicht zerlegt worden zu sein. Die Werte der stabilen Isotope weisen auf deutliche Unterschiede zwischen den Omnivoren (= Allesfressern) Schwein und Hund hin. Die Isotopenverhältnisse der Wölfe sind entgegen den Erwartungen nur sehr undeutlich von denen der Hunde zu trennen, was möglichweise auf Unsicherheiten bei der morphometrischen (= anatomisch vergleichenden) Bestimmung zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist die Heterogenität der Isotopenverhältnisse von Hunden in Bezug zur regionalen Lage der Fundplätze. Es wurden auf diesem Wege einerseits deutliche Unterschiede in der Nahrungsaufnahme der Tiere erkannt und andererseits Umwelteinflüsse wie auch klimatische Veränderungen ersichtlich. Die übergreifenden Ergebnisse des Projektes machen bereits jetzt in vielerlei Hinsicht die wirtschaftliche Bedeutung des Haushundes für die Nahrungswirtschaft verschiedener jungsteinzeitlicher Siedlungen deutlich: Hunde waren leicht zu versorgen, wurden einerseits mit Abfällen gefüttert oder sorgten in vielen Fällen selbst für ihre Nahrung und erbrachten zu Lebzeiten Arbeitsleistungen. Als Fleischnutztier besaßen sie zwar eine ungünstige Energiebilanz, man gewann dennoch aus ihnen ein sehr energiereiches Fleisch, qualitätsvolles Fell bzw. Leder sowie Zahnschmuckperlen. Diese Möglichkeiten wurden in steinzeitlichen Siedlungen in unterschiedlichem Maße und mit regional verschiedenen Schwerpunkten genutzt, wobei - neu hinzugekommen - der Verdacht besteht, dass sich die soziokulturelle Rolle der Haushunde vom Mesolithikum bis ins fortgeschrittene Neolithikum hin änderte. Hierzu steht allerdings eine detaillierte, fundplatzbezogene Auswertung noch aus. Weitere Literatur: Ewersen /Schmölcke 2013: Ewersen J., U. Schmölcke, Untersuchungen zur Haltung und Nutzung von Haushunden auf meso- und neolithischen Fundplätzen im nördlichen Deutschland. B. Ramminger (Hrsg.) Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie Bd. 240 - Studien zur Jungsteinzeit in Norddeutschland I (Bonn 2013) 267 - 299. Ewersen 2012: J. Ewersen, Der Hund - geliebt, gebraucht und gegessen. B. Ramminger, H. Lasch, Hunde - Menschen - Artefakte. Gedenkschrift für Gretel Galley. Studia honoraria Bd. 32 (Rahden/Westf. 2012) 249 - 262. Ewersen 2010: J. Ewersen, Hundehaltung auf der kaiserzeitlichen Wurt Feddersen Wierde – ein Rekonstruktionsversuch. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 33 (2010) 53 - 75. Ewersen/Ramminger 2010: J. Ewersen, B. Ramminger, Die Rolle des Hundes in Siedlungen des Endmesolithikums und Neolithikums im norddeutschen Raum - Vorbericht. Arch. Korrbl. 40 (2010) 331 - 350. Ewersen et al. in prep.: J. Ewersen, B. Ramminger, S. Ziegler, Stable Isotopic Ratio From Mesolithic And Neolithic Canids As An Indicator Of Human Economic and Ritual Activity (in prep). Ewersen et al. im Druck: J. Ewersen, Th. Uthmeier, A. Dirian, Die Jagd auf den Wolf oder mit dem Wolf auf Jagd? Archäozoologische Untersuchungen an der Gravettien-Freilandfundstelle auf der Napoleonshöhe bei Regensburg. Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz und in Regensburg (im Druck). Ewersen/Ramminger in Vorber.: J. Ewersen, B. Ramminger, Untersuchungen zur Haltung und Nutzung von Haushunden auf meso- und neolithischen Fundplätzen in Mittel- und Süddeutschland sowie der Schweiz. (in Vorber.). Ewersen/Ziegler in Vorber.: J. Ewersen, S. Ziegler, …der frisst am liebsten frisches Fleisch. Nahrungsgrundlage meso- und Zurück