Christian Küchelmann
Mogador
Die Île de Mogador ist eine kleine Felseninsel vor der atlantischen Westküste Marokkos in der Bucht von Essaouira, ca. 800 km südlich von Gibraltar. Bereits seit dem 19. Jahrhundert gibt es Hypothesen von Historikern, dass es sich bei der Île de Mogador um die Insel Kerne handeln könnte, die in antiken Texten als phönizische Handelsstation genannt wird. Seit den 1950er Jahren fanden auf Mogador verschiedene archäologische Grabungen statt, die u. a. phönizisches Fundmaterial erbrachten jedoch keine damit verbundenen Siedlungsstrukturen. Seit 2005 besteht ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) Madrid, des Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP) in Rabat, der Bonner Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK) und des Geologischen Instituts an der Universität Marburg, welches das Ziel verfolgt dieser Frage mit interdisziplinären Methoden auf den Grund zu gehen. Bei den Ausgrabungen auf der Île de Mogador wurden 2007 und 2008 insgesamt 63.289 Tierreste freigelegt. Mehr als zwei Drittel des Materials sind Schlacht- und Speisereste aus der phönizischen Faktorei, die dort vom 7.-5. Jh. v. Chr. betrieben wurde und die damit die südlichste und westlichste derzeit bekannte phönizische fundstelle ist. Etwa 6 % der Funde stammen aus römischen Befunden des 1.- 3. Jh. n. Chr. Rund 15 % des Materials war stratigraphisch nicht einzuordnen. Die hier vorliegenden Überreste von Haus- und Wildsäugetieren, Haus- und Wildgeflügel, Fischen, Mollusken, Seeigeln, Krebsen und Schildkröten sind in ihrer Artenzusammensetzung außerordentlich vielfältig, zudem enthält das Material einige sehr ungewöhnliche Funde. Meine Aufgabe bestand zunächst in der Vorsortierung des sehr großen Inventars nach taxonomischen Klassen sowie in der Auswertung der domestizierten Säugetiere und der Mollusken. Die Fischreste wurden von Angela von den Driesch untersucht, Vögel, Wildsäuger und Reptilien von Cornelia Becker.
Das Material ist das größte bisher untersuchte Inventar aus einer phönizischen Fundstelle, es erlaubt auch statistisch stichhaltige Aussagen z. B. über Logistik und Subsistenzstrategien bei Phöniziern und Römern, bei denen sich signifikante Unterschiede belegen ließen. Belegen ließ sich auch eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten: der Transport von Nahrungsmitteln, Tieren und Rohstoffen per Schiff, die Nutzung natürlicher Ressourcen vor Ort, der Export bestimmter Produkte sowie Handel und Tausch mit der einheimischen Bevölkerung.
Besondere Funde umfassen unter anderem Mönchsrobben pathologische Löwenknochen, 28 Vogelarten, darunter Knochen des Riesenalks und verschiedene Greifvogelarten, zersägte Elefantenknochen, römische Seilerhörnchen.
Publikationen:
Becker, Cornelia & Küchelmann, Hans Christian (2010): Schafe, Löwen und Napfschnecken – Ein erster Blick auf die Tierreste aus dem phönizischen Mogador. in: Marzoli, Dirce / El Khayari, Abdelaziz: Vorbericht Mogador (Marokko) 2008. – Madrider Mitteilungen 51, 81-94
Becker, Cornelia / von den Driesch, Angela / Küchelmann, Hans Christian (2013): Mogador, eine Handelsstation am westlichen Rand der phönizischen und römischen Welt – die Tierreste. in: Grupe, Gisela / McGlynn, George / Peters, Joris (eds.): Current discoveries from outside and within. Field explorations and critical comments from the lab, Documenta Archaeobiologiae 10, 11-159, Rahden
Becker, Cornelia (2013): Hühner auf einem langen Seeweg gen Westen. Frühe Nachweise von Gallus domesticus aus der phönizisch-punischen Niederlassung von Mogador, Marokko. – Offa 69/70, 225-238