Archaeozoologenverband

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Crazy like a fox? - Doktorarbeit von Chris Baumann

Überreste von Eis- und Rotfüchsen (Vulpes lagopus und Vulpes vulpes) sind aus fast jeder archäologischen Fundstelle des Spätpleistozäns (ca. 100 000 bis 13 000 Jahre vor heute) in Europa bekannt. Besondere Bedeutung erlangten ihre Eckzähne, welche unter andrem in den Höhlen der schwäbischen Alb (Baden-Württemberg, Deutschland) gefunden wurden und aus dem Aurignacien (ca. 42 000 bis 34 000 Jahre vor heute) und dem Gravettien (ca. 34 000 bis 30 000 Jahre vor heute) stammen. Sie wurden von frühen modernen Menschen durchlocht und sehr wahrscheinlich als Anhänger oder Verzierung an der Kleidung getragen. Schnittspuren auf Fuchsknochen zeigen, dass Fell und Fleisch der Tiere ebenfalls verwendet wurden.
Mit meiner Doktorarbeit schaute ich hinter die offensichtlichen Spuren und ging drei Fragen nach: Wie jagten und nutzten Neandertaler im Mittelpaläolithikum (ca. 100 000 bis 42 000 Jahre vor heute) und moderne Menschen im Jungpaläolithikum (ca. 42 000 bis 14 000 Jahre vor heute) Füchse? Welche Ernährungsstrategien zeigten spätpleistozäne Füchse und wurden jene durch Neandertaler oder moderner Mensch beeinflusst, z.B. durch das menschliche Jagdverhalten? Sind Füchse ein Indikator für die Intensität paläolithischer Besiedlungen und den Einfluss des Menschen auf die spätpleistozäne Umwelt?
Für die Beantwortung dieser Fragen fokussierte ich mich auf die Höhlenfundplätze der zentrale Schwäbische Alb (Ach- und Lonetal) sowie der Hegau Alb, welche am südwestlichen Ende der Schwäbischen Alb liegt. Um meine erste Frage zu erörtern, nutzte ich 26 publizierte, archäozoologischen Auswertungen von zwölf Fundstellen des Ach- und Lonetals und untersuchte die Abundanz der Füchse im Laufe der Zeit mittels Bayesischer Statistik neu. Hierbei fand ich heraus, dass Füchse ab dem Aurignacien stärker im Fundmaterial auftraten und dies auf die Jagd durch modernen Menschen zurückzuführen war. Für die Jagd wurden sehr wahrscheinlich Fallen genutzt, welche teilweise mit Nahrungsresten beködert und an Wildwechseln in der Umgebung der besiedelten Höhlen platziert wurden. Im Gegensatz dazu sind Füchse aus den mittelpaläolithischen Schichten auf natürliche Weise in die Höhlen gelangt. Die zweite Frage erschloss ich mittels der Analyse stabiler Kohlenstoff- und Stickstoffisotope aus dem Kollagen der archäologischen Fuchsknochen und rekonstruierte sowohl deren Nahrung als auch die trophischen Nischen. Hierbei konnte ich drei grundlegende Ernährungsstrategien nachweisen, wobei eine durch den Menschen beeinflusst war und die anderen beiden natürliches Verhalten widerspiegelten. Einige Füchse aus dem Jungpaläolithikum zeigten synanthropes Verhalten, also eine Anpassung an den Menschen und dessen Nahrungsressourcen, und das schon ungefähr 30 000 Jahre vor dem Neolithikum. Zur Bearbeitung meiner letzten Fragestellung, nutzte ich die gewonnenen Erkenntnisse der beiden vorherigen Fragen. Ich konnte dadurch eine positive Korrelation zwischen der Fuchsabundanz und der menschlichen Besiedlungsintensität, sowie dem Auftreten der synanthropen Füchse in Verbindung mit der Populationsdichte der Menschen und dem Jagddruck auf die Megafauna in der Region feststellen. Füchse können somit als Proxy für menschliche Aktivitäten und Besiedlungsdichte genutzt werden. Die opportunistischen Füchse reagierten schon im Jungpaläolithikum auf die, durch menschliches Verhalten beeinflusste Umwelt mit Anpassung ihrer Ernährungsstrategien.

Meine Doktorarbeit ist online verfügbar, über die Universität Tübingen oder via DOI.