Francoise Chaput
Hundefriedhöfe in Vorderen Orient: Kult, Kadaverbeseitigung oder Ausdruck emotionaler Beziehung ?
Nach dem libanesischen Bürgerkrieg organisierte die Stadt Beirut zahlreiche archäologische Grabungen. Eine dieser Grabungen, durchgeführt im Jahre 1995 unter der Leitung von Hélène Sader (American University of Beirut) und Uwe Finkbeiner (Universität Tübingen) erbrachte einen Bestattungsplatz, der in die persische Epoche datiert (6. bis 5. Jh. vor Chr.). Dieser Friedhof war für Tote ganz besonderer Art bestimmt: es handelte sich bei den Beigesetzten nicht um Menschen, sondern um Hunde!
Um die Hunde zu bestatten, wählten die Bewohner der Stadt einen freien Platz außerhalb der Siedlung: Auf einer Hangfläche einer älteren Verteidigungsanlage, einer sogenannten Glacis. Insgesamt wurden 20 Skelette freigelegt, wobei die vollständige Ausdehnung des Friedhofes nicht in Gänze ermittelt werden konnte.
Die Hunde wurden in engen Einzelgruben beigesetzt, die in etwa einen Meter voneinander entfernt waren. Zwei Gruben enthielten neben einem adulten Tier auch Überreste von Welpen. Bemerkenswert war die Tatsache, dass die Hunde mit sehr viel Sorgfalt beigesetzt wurden. Sie lagen vollständig entweder auf der linken oder auf der rechten Seite und einige hatten die Beine eng unter dem Körper angewinkelt (Foto 1). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Tiere vor der Niederlegung fest in ein Tuch eingewickelt oder an den Beinen verschnürt worden waren. Zwei Tieren waren mit großen Gefäßscherben zugedeckt
Ein anderes Skelett war von einer kleinen Ziegelmauer umgegeben. Die Betrachtung aller Informationen zeigte, dass es sich um einen Bestattungsplatz handelte wobei jede Beisetzung ein einzelnes Ereignis war.
Die detaillierte Untersuchung der Knochenüberreste ergab keinerlei Anhaltspunkte für eine Misshandlung der Tiere, worauf z.B. Knochenbrüche als Folge von Schlägen hingewiesen hätten. Auch gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass die Tiere gewaltsam zu Tode gekommen wären. Die osteometrische Analyse zeigte, dass die verschiedenen Individuen mit einer Schulterhöhe von ca. 50 cm etwa eine mittlere Größe besaßen (und eher grazil waren). Die auffallend homogenen metrischen Daten lassen vermuten, dass es sich evtl. um eine einzige "Hunderasse" gehandelt haben könnte. Leider ist die Individuenzahl nicht hoch genug, um dies mit Sicherheit belegen zu können. Auch die Untersuchung des überwiegend hohen Sterbealters der Hunde spricht dafür, dass sie unter der Obhut des Menschen gelebt hatten und an Altersschwäche starben.
Eigenständige Hundebestattungen und erst recht regelrechte Tierfriedhöfe sind selten. Bekannt sind vor allem kultische Deponierungen im Bereich von Siedlungen oder Tempeln oder die Mitbestattung von Hunden in menschlichen Gräbern. Aus der Region um Beirut allerdings sind für denselben Zeithorizont weitere Bestattungsplätze bekannt, so zum Beispiel ein Hundefriedhof aus Khalde, 10 km südlich von Beirut, bei dem das Fundmaterial im Krieg leider verlorenging. In Ashdod, im nördlichen Gazastreifen, konnten sieben Hundebestattungen dokumentiert werden. Aus der Hafenstadt Dor sind ebenfalls sieben Hundebestattungen überliefert. Aus Batash, in der Shefela, ist eine einzelne Hundebestatung bekannt, die mit großen Gefäßscherben abgedeckt war. Der bedeutendste Fundkomplex dieser Art befand sich in Ashkelon, an der israelischen Mittelmeerküste. Hier konnten mindestens 436 Hunde freigelegt werden, die alle in dem relativ kurzen Zeitraum von etwa 80 Jahren beigesetzt worden waren. Zwischen Ashkelon und Beirut lassen sich einige Parallelen erkennen: So zum Beispiel die gleiche Lage der Hunde, eine natürliche Todesursache oder die besondere Zuwendung im Zuge eines Begräbnisses. Es sind dennoch auch markante Unterschiede festzustellen. In Ashkelon war kein einziges Indiviuum mit Keramik abgedeckt. Ebenso war hier im Vergleich mit Beirut die Anzahl der jungen Individuen bemerkenswert hoch. Ferner charakterisieren sich die Hunde aus Ashkelon durch ihre große morphologische Variabilität. Die Bearbeiter des Fundplatzes Ashkelon ordnen ihre Hunde dem sogenannten Pariahund zu. Dabei handelt es sich um halbwilde Tiere, die in den Städten oder in unmittelbarer Nähe zu den Menschen leben, und sich von deren Abfällen ernähren. Wären solche Hunde, wenn ihr Leben in den Straßen der Siedlung beendet war, an einem speziellen für sie reservierten Platz beigesetzt worden? Oder hat man sie bestattet um die Straßen von den Kadavern zu befreien? Wie ließe sich in diesem Fall die sorgfältige Behandlung der Tiere im Zuge der Beisetzung erklären? Respektiert man ein Lebewesen, um welches man sich zu Lebzeiten eigentlich nicht kümmert, oder erkennt man den Nutzen – damit ist die Abfallbeseitigung gemeint - dieser Tiere für die Gemeinschaft an? Im Falle Beiruts scheint die besondere Behandlung, wie das Beilegen von Keramikscherben in einige Gräber oder die Umgrenzung des Grabes durch kleine Mauern einen engeren Bezug zwischen Tier und Mensch zu bezeugen.
Es bleibt festzustellen, dass alle diese Hunde nach ihrem Tod eine besondere Behandlung erfahren haben. Dabei ist anzumerken, dass es sich bei den Hundefriedhöfen immer um Fundplätze in nichtautonomen phönizischen Siedlungen handelte, welche unter persischer Herrschaft standen. Die Städte Ashkelon, Dor, Beirut und Khalde waren Hafenstädte, die durch zahlreiche Händler aus dem gesamten östlichen Mittelmeerraum frequentiert worden sind. Bei all diesen Völkern wurden Hunde besonders von Ägyptern und Persern verehrt. Wer aber all diese Hunde bestattet hat und vor allem warum, bleibt bis heute ein Mysterium.
Literatur:
Sader, Hélène: Den Ruinen entsteigt die Vergangenheit. Archäologie in Beirut. Antike Welt 5, 1997 . S. 397- 406.
Sager, L 1993: Ashkelon in NEAEHL I, pp. 103-112.
Wapnish, P; Hesse, B: Pampered Pooches or plain Pariahs. The Ashkelon Dog Burials. Biblical Archeologist 56:2, 1993 pp. 55-79.