Archaeozoologenverband

It's all about bones!

Praktische Empfehlungen zum Umgang mit Tierresten für Archäologen

(Fortsetzung)

3.1.4. Lagerung und Archivierung

Eine dauerhafte Lagerung archäologischer Tierknochenfunde über die Bestimmung und Bearbeitung hinaus ist aus verschiedenen Gründen unbedingt notwendig: So kann eine Fortentwicklung der archäozoologischen Methodik zu neuen Erkenntnissen an altbekanntem Material führen. Auch werden gerade in der Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen immer wieder neue Fragestellungen entwickelt, die sich auf bereits bestimmte Komplexe stützen. Mitunter müssen bereits untersuchte Knochen gelegentlich erneut aufgenommen werden, um vor dem Hintergrund sich ändernder Standards der quantitativen Erfassung die Vergleichbarkeit verschiedener Fundstellen zu gewährleisten.
Die Organisationsstruktur eines Magazins für die dauerhafte Lagerung sollte sich an den archäologischen Vorgaben orientieren, indem das Material getrennt nach Fundstellen, Befunden und Fundzettelnummern aufbewahrt wird. Wurden die Knochen bereits bestimmt, so sollte es möglich sein, anhand der Kennzeichnung von Kisten und den archivierten Daten auch bei großen Komplexen einzelne Funde leicht wiederzufinden. Möglicherweise müssen beispielsweise für Ausstellungszwecke einzelne Knochen entnommen werden. In diesem Fall muss in der jeweiligen Kiste und in der Datenbank ein Vermerk mit Angaben über die Details der Entnahme hinterlegt werden.
Eine Verpackung nach Tierarten innerhalb der Befundkomplexe kann sinnvoll sein. Ein aktuelles Beispiel: Bei der Suche nach Katzenknochen für DNA-Untersuchungen aus einer Bremer Grabung konnten diese schnell herausgesucht werden, da ein Teil der Funde innerhalb des Fundkontextes nach Tierarten sortiert verpackt worden war. Auf den Kartons im Magazin standen die darin enthaltenen Arten. Das Heraussuchen der Katzenknochen dauerte nur wenige Minuten. Ein anderer Teil der Funde war nur archäologisch nach Fundzetteln sortiert. Hier mussten die einzelnen Katzenknochen aus Tüten mit gemischten Tierarten herausgesucht werden, was mehrere Stunden dauerte und nur für jemanden mit anatomischen Kenntnissen möglich war. Im Fall der nach Tierarten sortierten Knochen und Kennzeichnung auf den Kartons kann ein Archivmitarbeiter schriftlich oder mündlich instruiert werden und selbstständig die Funde aus dem Magazin holen und an die anfragende Forschungseinrichtung verschicken. Das Verpacken und Beschriften der Tüten und Kartons erfordert zunächst etwas mehr Zeitaufwand, vermeidet jedoch Reisen und Arbeitszeit in Magazinen bei späteren Nachfragen.
Kommen naturwissenschaftliche Methoden zum Einsatz, infolge derer der Knochen zerstört wird, ist darauf zu achten, dass zuvor eine Untersuchung nach den in der Archäozoologie gängigen Standards erfolgte. In besonderem Maß gilt dies für Knochenartefakte, deren Bearbeitung eine „Grauzone“ zwischen Archäologie und Archäozoologie darstellt. Dies erleichtert den Zugang im Rahmen zukünftiger Fragestellungen deutlich. In jedem Fall sollte auch auf den Kisten ein Vermerk angebracht werden, ob eine archäozoologische Analyse durchgeführt wurde. Eine laufend aktualisierte Datenbank mit Angaben zum archäologischen Kontext der Tierknochen (u.a. Fundort, Maßnahmennummer, Befund, Fundzettelnummer, Koordinaten, Datierung, Literatur) hilft, den Überblick über das Material zu wahren und die für die kulturhistorische Aussage essentielle Verbindung mit den archäologischen Informationen zu wahren.
Das Magazin darf weder feucht sein, noch sollte die Temperatur in dem Raum stark schwanken bzw. Extremwerte erreichen, wie dies in Kellern oder auf Dachböden der Fall sein kann. Eine Stapelung in Regalen kann ein zusätzlicher Schutz vor Feuchtigkeit sein und bedeutet eine Platzersparnis sowie ein größeres Maß an Übersichtlichkeit. Dabei muss jedoch die maximale Traglast berücksichtigt und das Gewicht der Kisten dementsprechend angepasst werden. In den Lagerräumen sollte keinesfalls geraucht werden.
Im Vorfeld des dauerhaften Magazinierens der Tierknochen ist es von Vorteil, sich nach Institutionen zu erkundigen, die sich auf die Lagerung bioarchäologischer Funde spezialisiert haben. Dies ist beispielsweise in Bayern mit der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie (SAPM) der Fall. Eine Übergabe muss jedoch in der archäologischen Dokumentation vermerkt werden.


3.2. Umgang mit den archäozoologischen Daten
Nach der Übergabe des Materials an eine/n Archäozoologe/in werden durch diese/n Daten an den Skelettresten erhoben. Dabei wird die Artenvielfalt und die allgemeine Zusammensetzung des Fundmaterials stark von der auf der Grabung angewendeten Grabungstechnik beeinflusst (s. Kap. 2.2.2.1). Auch fragmentiertes Material trägt zum besseren Verständnis der Faunenzusammensetzung und Nutzung bei. Je nach Fragmentierungsgrad benötigt die Aufnahme und Bearbeitung durch die/den Archäozoologen/in einen unterschiedlichen Aufwand: stark fragmentierte Knochen bedeuten einen höheren Zeit- und damit Kostenaufwand. Die Anzahl der bestimmbaren Fragmente ist jedoch entscheidend für statistisch gesicherte Aussagen.
Während der Bestimmung dieses Fundmaterials werden sog. Primärdaten erhoben. Dazu gehören z.B. die Anzahl der jeweiligen Tierarten, die Anzahl der einzelnen Knochenelemente, das Knochengewicht, oder die Knochenmaße.


3.2.1. Rohdaten
Ein adäquater Umgang der Rohdaten muss in jedem Fall gewährleistet sein. Hierzu zählen die folgenden wichtigen Punkte, die bereits im Vorfeld geklärt werden müssen:
A      Rechte an den Daten,
B      Veröffentlichung der Daten,
C      Nachhaltigkeit der Daten.


3.2.1.1. Rechte
Die Rechte an den Rohdaten sollten immer im Voraus mit dem jeweiligen Auftraggeber abgeklärt werden. Hierfür empfehlen wir einen Vertrag abzuschließen, der durch beide Parteien abgezeichnet wird. Einen Vertragsentwurf stellt der Archaeozoologenverband zur Verfügung.
Bei der rechtlichen Situation existieren verschiedene Vorbedingungen, die von beiden Seiten berücksichtigt werden müssen.
Angehörige von Institutionen wie Universitätsinstituten oder Forschungsgesellschaften handeln in der Regel im Auftrag der jeweiligen geldgebenden Einrichtung. Die Nutzungsrechte an den Daten verbleiben bei der finanzierenden Einrichtung.
Freiberufliche Archäozoologen/innen handeln im Auftrag des Arbeitgebers, sodass es nötig ist, im Vorfeld die Frage nach den Rechten an den Daten abzuklären. In der Regel verbleiben die Rechte bei demjenigen, der die Daten erhebt.


3.2.1.2. Veröffentlichung
Die Nutzung von Datenpools ist für den wissenschaftlichen Kenntniszuwachs von erheblicher Bedeutung. Dazu müssen die Daten einem fachkollegialen Publikum zur Verfügung stehen. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten:
Publikation der Rohdaten und Maße gemeinsam mit der Publikation der Ergebnisse,
Veröffentlichung sämtlicher Rohdaten auf einer Online-Plattform, wie z.B. auf opencontext.org oder Pangea database,  öffentlich zugänglichen Datenspeicherprogrammen, in denen der Datenzugriff individuell freigegeben werden kann.

Insbesondere bei großen Fundkomplexen mit mehreren Tausenden Tierknochen ist es nicht immer möglich, alle Rohdaten in Printmedien zu publizieren. Nachhaltige und frei verfügbare Datenplattformen sind daher eine moderne Alternative. Sie haben außerdem den Vorteil, dass Datenpools, die ständig aktualisiert und ergänzt werden, leichter für Vergleiche genutzt werden können.


3.2.1.3. Nachhaltigkeit
Ein Thema mit zunehmender Bedeutung ist die Nachhaltigkeit . Sie betrifft auch archäozoologische Grunddaten. Da die Daten aus Kostengründen häufig nicht in Printmedien veröffentlicht werden, sollten sie in Plattformen (siehe 3.2.1.2. Veröffentlichungen, Nr. 2.) digital archiviert werden, die ständig auf eine moderne Form aktualisiert wird . Hierzu sind frei zugängliche Programme ideal, wie beispielsweise das oben erwähne Programm OssoBook, dass über einen eigenen Server verfügt und durch Wissenschaftler gemeinsam mit IT-Spezialisten ständig überholt, aktualisiert und angepasst wird.


3.2.1.4. Veröffentlichung der archäozoologischen Ergebnisse
Die Publikation der archäozoologischen Ergebnisse sollte zusammen mit den Ergebnissen der archäologischen und/oder der anderen naturwissenschaftlichen Untersuchungen erfolgen. Dadurch lassen sich die archäozoologische Ergebnisse besser in das Gesamtbild einfügen und die Aussagekraft der archäologischen Auswertung wird dadurch ebenfalls erhöht. Wenn nicht genug Platz für eine ausführliche Analyse des archäozooogischen Materials zur Verfügung steht, sollte wenigstens ein Minimalbericht veröffentlicht werden. Dieser enthält neben der obligatorischen Artenliste mit Anzahl und Gewicht auch eine Skeletteilliste. Wenn die übrigen Daten, wie Einzelmaße, nicht veröffentlicht werden können, sollte wenigstens in der Publikation vermerkt werden, wo diese Daten zu finden und in welcher Form sie zugänglich sind.
Siehe auch allgemeine Empfehlungen für Archäologen (Recommendations concerning the environmental archaeology components of archaeological evaluations)


4. Beispiele für Aussagemöglichkeiten: siehe Projekte einzelner Mitglieder

5. Literaturempfehlungen zur Methodik der Archäozoologie

  • Chaplin, E. E., The Study of Animal Bones from Archaeological Sites. International Series of Monographs on Science in Archaeology. Seminar Press, London and New York, 1971. (ISBN 0 12 816050 0)
  • Davis, S. J. M., The Archaeology of Animals. Yale University Press. New Haven and London 1987. (ISBN 0 300 04065 2 hardback, ISBN 0 300 06305 9 paperback)
  • Czeika, S. & Ranseder, C., Knochen lesen.  Tierknochen als Zeugen der Vergangenheit, Wien Archäologisch 3, Wien 2007.
  • Cornwall, I. W., Bones for the Archaeologist, revised edition, London. J. M. Dent and Sons 1974 . ISBN: 0 460 04229 7 The archaeology of animal bones
  • Davis, S. J. M., The Archaeology of Animals. Yale University Press. New Haven and London 1987. ISBN 0 300 04065 2 hardback; ISBN 0 300 06305 9 paperback
  • Hillson, Simon (2005): Teeth, 2nd edition, Cambridge Manuals in Archaeology, CambridgeZooarchaeology
  • O’Connor, T., . Sutton Publishing. loucestershire 2000. (ISBN 0 7509 2251 6)
  • Rackham, J., Animal Bones, Interpreting the Past, London  British Museum, 1994. ISBN: 0-7141-2057-X
  • Reitz, E. J., & Wing, E. S., . Cambridge Manuals in Archaeology. Cambridge University Press 1999. (ISBN 0 521 48069 8 hardback,ISBN 0 521 48529 0 paperback)
  • Serjeantson, Dale (2009): Birds, Cambridge Manuals in Archaeology, Cambridge
  • Schmid, Elisabeth (1972): Atlas of Animal Bones for Prehistorians, Archaeologists and Quaternary Geologists, Amsterdam
  • Shipman, P., Life History of a Fossil. An Introduction to Taphonomy and Paleoecology. Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts, and London 1981. (ISBN 0 674 53085 3)
  • Weigelt, J., Rezente Wirbeltierleichen und ihre paläobiologische Bedeutung, 3. Auflage, Bad Vilbel. Dieter W. Berger 1999. ISBN: 3-926854-05-7
  • Wheeler, Alwyne & Jones, Andrew K. G. (1989): Fishes, Cambridge Manuals in Archaeology, Cambridge


6. "Checkliste" für den Archäologen

Planungsphase:

  • Erstkontakt mit einem/einer Archäozoologen/-in,

Ausgrabung:

  • Begutachtung einzelner besonderer Befunde (bspw. vollständige Skelettdeponierungen) durch Archäozoologen/-in vor Ort,
  • Sieben/Schlämmen einzelner Befunde in Absprache mit dem/der Archäozoologen/-in oder/und Sammeln einer vollständigen Bodenprobe (Eimerinhalt) für spätere Befundung,
    Lagerung im trockenen Zustand in Plastiktüten, bei feuchten Knochen Tüten geöffnet lassen, damit die Restfeuchtigkeit vollständig entweicht,
  • Waschen und vollständiges Trocknen des Materials. Ausnahme: Probenentnahme für spezielle Analysen (Isotope, DNA),
  • Lagerung von fragilen Elementen (Mollusken, schlecht erhaltene Knochen) in speziellen Behältnissen oder in luftgepolsterten Plastiktüten,

Nach der Grabung:

  • Übergabe des Materials an Archäozoologen/-in und Klärung der Endlagerung nach Ende der Bearbeitung (siehe Kap. 3.2.5),
  • Klärung der Rechte an den durch den/die Archäozoologen/-in erhobenen Daten (siehe Kap. 3.2.1.1),
  • ständige Interaktion während der Bearbeitungsphase zwischen Archäozoologie und Archäologie,
  • Veröffentlichung der archäozoologischen Ergebnisse gemeinsam mit den archäologischen Resultaten,

Wissenschaftliche Projekte:

  • Berücksichtigung einer möglicherweise zeitaufwändigen Bearbeitung von vorhandenem oder zu erwartenden Material durch den Archäologen, am sinnvollsten ist die Planung und Kalkulation in Absprache mit einem/einer Archäozoologen/-in.


8. Vertragsentwurf
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