Praktische Empfehlungen zum Umgang mit Tierresten für Archäologen
(Fortsetzung)
3. Umgang mit den archäologischen Funden nach der Grabung
Um den Erhalt des wissenschaftlichen Aussagewerts archäologischen Tierknochenmaterials dauerhaft zu gewährleisten, ist ein geeigneter Umgang mit den Funden auch nach der Grabung notwendig. Im Folgenden sei ein Leitfaden für die Behandlung der Faunenreste von der Reinigung bis hin zur Archivierung gegeben.
3.1.1. Reinigung
Im Vorfeld der archäozoologischen Analyse ist es notwendig, das Knochenmaterial von anhaftendem Erdreich zu säubern. Sind morphologische Merkmale nicht erkennbar, ist u. U. eine tierartliche Bestimmung nicht möglich. Zudem kann es zu einer Verzerrung des Knochengewichtes kommen. Das Knochengewicht wird von vielen Archäozoologen erhoben und stellt einen wichtigen Parameter für die Analyse dar. Weiterhin werden Parameter wie Hack- und Schnittspuren überdeckt und können nicht erfasst werden.
Die unbedenklichste Reinigungsmethode ist das Waschen der Knochen mit Leitungswasser ohne chemische Zusätze. Bürsten sollten nicht verwendet werden: jeder Einsatz von Reinigungsgerät auf mechanischer Basis zerstört besonders bei fragilem Material die Oberfläche der Knochen. Sollte jedoch aufgrund der Konsistenz der Verschmutzung der Einsatz eines mechanischen Gerätes erforderlich werden, so ist auf möglichst weiches Material wie Zahnbürsten mit sehr geringem Härtegrad zurückzugreifen. Bei großteilig erhaltenen Röhrenknochen empfiehlt sich der vorsichtige Einsatz einer hölzernen oder aus weichem Kunststoff gefertigten Präparationsnadel, um die Markhöhle von Erde zu befreien. Es gilt einmal darauf zu achten, keine rezenten Spuren am Knochenmaterial zu hinterlassen und soweit wie möglich, die Bruchkanten der Funde zu reinigen. Dies erleichtert beispielsweise das anschließende Kleben im Rahmen der Ausgrabung zerstörter Knochen. Ein Siebeinsatz verhindert, dass kleine Stücke verlorengehen. Um Beschädigungen soweit wie möglich zu vermeiden, muss beim Waschen der Funde immer auf deren evtl. variierenden Erhaltungszustand Rücksicht genommen werden. Zudem sollte man von einem „Einweichen“ der Knochen absehen. Mollusken und Brandknochen werden nicht gewaschen.
Um Schimmelbildung vorzubeugen, müssen die Knochen im Anschluss gut durchlüftet getrocknet werden. Auf Hilfsmittel wie Heizungen sowie auf das Auslegen in der prallen Sonne sollte verzichtet werden, da Temperaturschwankungen der Festigkeit des Knochens abträglich sind. Hilfreich hat sich die Verwendung perforierter Unterlagen wie Plastikdeckel von Euronormboxen erwiesen. Der Trocknungsvorgang darf nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, da sich bereits mittelfristige Feuchtigkeit negativ auf den Erhaltungszustand bioarchäologischer Funde auswirken kann.Sind die Knochen sehr schlecht erhalten ist es besser, vom Waschen Abstand zu nehmen. In diesem Fall gilt es, die Stücke lediglich vorsichtig trocken abzubürsten. Auch der geplante Einsatz molekularbiologischer Methoden wie Isotopenanalyse, C14-Datierung oder DNA-Untersuchung verbietet das Waschen. Da zum Zeitpunkt der Reinigung u. U. nicht absehbar ist, ob solche Methoden zukünftig an dem entsprechenden Material angewandt werden, empfiehlt es sich, einige Knochen im Originalzustand zu belassen. Der Umfang und die ausgewählten Arten orientieren sich an der Gesamtmenge des Materials. Für die Selektion der Funde ist es wünschenswert, einen/eine Archäozoologen/-in hinzuzuziehen. Gerade im Rahmen von Forschungsgrabungen ist es sinnvoll einen möglichen Bedarf ungereinigten Materials schon vorab zu klären. Auch Funde, die nicht gesäubert wurden, sollten vor dem Verpacken vollständig getrocknet werden.
3.1.2. Kleben
Das Zusammensetzen und Kleben hat viele Vorteile für die wissenschaftliche Bearbeitung von Tierknochen. Dies kann zum einen zu einer Erhöhung der Zahl der bestimmbaren Stücke und zum anderen zu einer Zunahme messbarer Skelettelemente führen.
Grundsätzlich werden nur frische, d. h. im Rahmen der Ausgrabung verursachte Brüche, geklebt. Unverwachsene Epiphysen (i.d.R. obere und untere Gelenkenden eines Langknochens) sollten nicht am zugehörigen Knochenschaft (Diaphyse) fixiert werden. Diese Bereiche sind wichtige Abschnitte für die Altersanalyse und ein Zusammenkleben dieser Bereiche könnte die Altersanalyse erschweren, verfälschen oder unmöglich machen. Werden Gelenkende (Epiphyse) und Knochenschaft (Diaphyse) als zusammengehörig erkannt, sollten sie zusammen eingetütet werden.
Als Klebstoff kommen die bereits im Kap. 2.2.2.2 genannten Chemikalien wie Epoxidharzkleber, Cyanacrylat (Sekundenkleber) oder Cellulosenitrate-Klebstoffe in Frage. Holzleim hat den Nachteil, dass es nicht reversibel ist.
3.1.3. Beschriftung
Jeden einzelnen Knochen zu beschriften bedeutet einen sehr großen Zeitaufwand. Ein Vorteil besteht für den/die Archäozoologen/-in jedoch in der Möglichkeit, unabhängig von der Zuordnung zum Befund vergleichende Analysen an großen Knochenserien durchführen zu können. Als Kompromiss bietet es sich an, nur einen relevanten Teil des Fundmaterials einzeln mit den Angaben zum archäologischen Kontext zu kennzeichnen. Eine ressourcensparende Variante ist die fortlaufende Nummerierung der Knochen, die mittels einer Konkordanzliste dem archäologischen Kontext zugewiesen werden können. Das entsprechende Vorgehen ist abhängig von der verfolgten Fragestellung sowie von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln und ist in jedem Fall mit dem wissenschaftlichen Bearbeiter abzuklären.
Erfolgt eine Beschriftung von Einzelknochen, so ist sie in Bereichen anzubringen, die nicht wichtig für eine mögliche Diagnose sein könnten. Auszunehmen sind demnach Epiphysenfugen (Bereiche zwischen unverwachsenen Gelenkenden und Knochenschaft), Pathologien und menschliche Wirkspuren (Hack- und Schnittmarken) sowie anatomische Merkmale wie Muskelmarken, Fortsätze oder Foramina (Löcher). Bei Knochen, die für eine molekularbiologische Untersuchung vorgesehen sind (s. Kap. 3.1.1), sollte auf eine solche Kennzeichnung verzichtet werden.
Geeignet für eine Beschriftung sind Zeichentusche oder wasserfester Filzstift. Ist der Untergrund porös oder schlecht erhalten, kann zusätzlich ein acetonlöslicher Lack aufgebracht werden.
3.1.4. Verpackung
Am besten sind für die Verpackung der gereinigten und sicher durchgetrockneten (s. Kap. 3.1.1) Tierknochen PE-Clipverschlussbeutel geeignet. Diese sollten nicht gelocht sein, da kleine Knochen möglicherweise herausfallen könnten. Die Tierknochen sind zudem separat von anderen Fundgruppen, wie z.B. Keramik, zu verpacken. Es ist vorteilhaft, Unterkiefer und Schädel mit Zähnen extra einzutüten, da letztere herausfallen können und so in der Menge des Materials nicht mehr zuzuordnen wären. Plastikschalen oder stabile Kartons bieten sich als Behältnis für fragile Funde (z. B. Mollusken, Skelette von Föten, Eierschalen) an, da diese sonst unter der Last der anderen Knochen zerdrückt werden könnten. Während der Grabung erkannte zusammengehörige Skelette oder Teilskelette separat zu verpacken, steigert den Aussagewert des Materials und stellt eine Arbeitsersparnis für den/die Archäozoologen/in dar und somit letztendlich eine Kostenersparnis.
Jeder Fundtüte müssen Informationen über den archäologischen Kontext der enthaltenen Tierknochen beiliegen. Diese Informationen werden bei der Datenaufnahme des archäozoologischen Materials immer mit aufgenommen. Im Normalfall handelt es sich dabei um den Fundzettel. Die auf dem Fundzettel festzuhaltenden Angaben werden landesweit von den Denkmalschutzbehörden bestimmt. Wird der Inhalt einer Tüte aufgeteilt, so kann der Fundzettel entweder kopiert oder abgeschrieben werden. Die Verwendung eines lichtfesten Filzstiftes oder eines Bleistiftes hilft einem möglichen Verblassen der Schrift bei langer Lagerung vorzubeugen. Des Weiteren gilt es, den Fundzettel zum Schutz vor der Wirkung des eingelagerten Materials nochmals in einen passenden PE-Clipverschlussbeutel zu verpacken. Die archäologischen Angaben sollten zudem immer von außen gut lesbar sein und nicht gefaltet werden. Für die Einlagerung der einzelnen Fundtüten bieten sich Pappkisten an. Wichtig ist hierbei, nach Möglichkeit zerbrechliche Knochen (beispielsweise Skelette von Jungtieren) im den oberen Bereich einzulagern. Da die Kisten zumeist in Regalen gestapelt werden, sollten sie keinesfalls zu voll gepackt werden (ideal max. 10 kg). Auch die Kisten sollten mit den Informationen zum archäologischen Kontext versehen werden. Zudem empfiehlt es sich, eine Verpackungsliste zu verwenden, die angibt, in welchen der zuvor nummerierten Kisten die einzelnen Befunde bzw. Tierarten eines Fundplatzes lagern.